Angstproblematik bei Hunden
Angststörungen bei Hunden sind ein weit verbreitetes Problem, welches sowohl den Hund als auch seinen Besitzer stark belasten kann. Zunächst einmal ist Angst eine normale angeborene Emotion, die nicht nur sinnvoll, sondern sogar überlebensnotwendig ist. Sie setzt wichtige Reaktionen in Gang, die dem Hund die notwendige Energie und Kraft geben, um in gefährlichen Situationen reagieren zu können, zum Beispiel mit Flucht.
Ob Angst behandlungsbedürftig ist oder nicht, hängt davon ab, ob es sich um eine normale = angemessene Reaktion des Hundes handelt oder die Angst ein pathologischer (krankhafter) Zustand ist.
Angst bedeutet immer Stress für Körper und Psyche. Insofern ist es wichtig, wiederkehrende Ängste beziehungsweise Angstprobleme so früh wie möglich zu erkennen. Dauerstress führt, wie bei uns Menschen auch, nicht nur zu Unwohlsein, sondern kann langfristig die Gesundheit beeinträchtigen und unter anderem das Immunsystem schwächen.
Panik, also extreme Angst, kann zudem zu Kurzschlusshandlungen führen. Dabei läuft der Hund Gefahr, sich und andere zu gefährden, zum Beispiel, wenn er auf eine Straße läuft und von einem Auto erfasst wird.
Es macht also unbedingt Sinn, eine Angstproblematik beim Hund zu therapieren.
Ursache von Ängsten
Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Der häufigste Grund für Ängste beim Hund sind negative Erfahrungen. Diese sind umso prägender für das spätere Verhalten, wenn sie ganz früh im Leben, vor allem in der Zeit der dritten bis vierzehnten Lebenswoche, erlebt werden. Schlechte Erfahrungen in dieser sensiblen Phase in der Verhaltensentwicklung des Hundes haben einen lebenslangen Einfluss.
In der sogenannten Sozialisierungsphase ist die Neugier der Welpen größer als die Angst, das heißt, sie gehen angstfrei auf Neues zu. Das Gehirn ist in dieser Zeit enorm aufnahmefähig. Die gemachten Erfahrungen hinsichtlich Menschen, Artgenossen, anderen Tieren, Geräuschen etc. bilden ein eigenes Referenzsystem für das spätere (Er-)Leben und Verhalten des Hundes.
Optimalerweise sollte ein Welpe in dieser prägenden Phase all die Dinge kennenlernen, die später in seinem Leben eine Rolle spielen werden. Dazu gehören in der Regel Artgenossen verschiedener Rassen (große und kleine Hunde, Hunde mit und ohne Rute etc.), andere Tiere (z.B. Pferde, Katzen, Kaninchen, für zukünftig arbeitende Hütehunde auch Schafe), Kinder unterschiedlicher Altersklassen und Menschen – auch auf dem Fahrrad, im Rollstuhl, auf dem Skateboard, mit Krücken, Regenschirm, Rollkoffer oder Kinderwagen. Bei Spaziergängen in der Stadt kann der Welpe sich mit Geräuschen und Gerüchen von verschiedenen Orten vertraut machen; an Verkehr mit Autos und S-Bahnen gewöhnt werden. Fahrten mit Auto, Bahn oder Aufzug machen als Angstprophylaxe ebenso Sinn. Haushaltsgeräusche wie Staubsauger, Waschmaschine und Küchengeräte werden den Hund später nicht stressen, wenn er diese früh kennengelernt hat. Kann ein Welpe all diese Erfahrungen machen, entwickelt er sich normalerweise zu einem Junghund mit guter psychischer Belastbarkeit.
Ein Mangel an Erfahrungen hingegen kann im späteren Leben zu Angstproblemen führen. Leider erleben wir dies insbesondere bei Hunden aus dem Tierschutz, die keine optimale Prägephase erleben durften.
Neben den gesammelten negativen Erfahrungen können auch organische Erkrankungen beim Hund eine Angstsymptomatik auslösen. Lassen bei Hundesenioren Sehkraft und/oder Hörvermögen nach, kann das verständlicherweise zu Unsicherheit und Angst führen, weil das Orientierungsvermögen leidet. Oft zeigen sich diese Ängste erstmals in der Dämmerung beziehungsweise in der Dunkelheit. Eine Schilddrüsenfunktionsstörung kann ebenfalls für Verhaltensstörungen wie Angst ursächlich sein. Eine Blutkontrolle gibt Aufschluss darüber, ob die Schilddrüsenwerte zu niedrig sind.
So manches Mal sorgt auch das Verhalten von Herrchen/Frauchen dafür, dass aus einer anfangs leichten Angst ein therapiebedürftiges Angstverhalten wird. Das ist immer dann der Fall, wenn der Tierhalter seinen Hund an der falschen Stelle belohnt, indem er zum Beispiel seinem Hund gut zuredet oder ihn streichelt, während dieser ängstlich ist. Vielen Hundehaltern ist nicht bewusst, dass sie durch dieses wohlwollend gemeinte Verhalten die Angst beim Hund verstärken.
Angst erkennen
Um den eigenen Hund richtig zu unterstützen, ist es notwendig, seine Angst überhaupt wahrzunehmen. Ob ein Hund ängstlich ist, lässt sich an seiner Körpersprache ablesen. Die Rute wird tief getragen und bei zunehmender Angst kann diese auch unter den Bauch gezogen. Die Ohren werden nach hinten/unten gelegt, die Mundwinkel sind zurückgezogen, womit sich die Mundlinie optisch verlängert. Die Augen sind weit geöffnet mit geweiteten Pupillen, die Rückenhaare sind teilweise aufgestellt, der Blick abgewandt. Die Blickvermeidung kann besonders gut bei so manchen Hundebegegnungen beobachtet werden. Insgesamt macht ein unsicherer beziehungsweise ängstlicher Hund sich eher klein, er duckt sich förmlich mit abgerundetem Rücken. Der Kopf ist abgesenkt und der Hals eingezogen. Ein ängstlicher Hund verlagert sein Gewicht in der Regel auf die Hinterbeine, wobei die Gelenke eingeknickt sind.
Therapiemöglichkeiten
Um die Angstproblematik in den Griff zu bekommen, muss zunächst der Auslöser ausfindig gemacht werden. Körperliche Erkrankungen sind selbstverständlich entsprechend zu behandeln. Es sollte immer zuerst abgeklärt werden, ob eine organische Erkrankung vorliegt. Das ist umso wichtiger, wenn das Angstverhalten neu auftritt.
Angstprobleme lassen sich mittels Hundetraining durch eine Desensibilisierung und Gegenkonditionierung oft verbessern. Die Grundidee bei der Desensibilisierung ist, den Hund in kleinen Schritten an den Auslöser seiner Angst heranzuführen, damit er sich langsam an den entsprechenden Reiz gewöhnt. Bei der Gegenkonditionierung wird mittels Konditionierung die negative Assoziation durch eine positive ersetzt.
Der Hundehalter muss außerdem verstehen, dass er durch jede Form der Aufmerksamkeit das ängstliche Verhalten seines Hundes noch verstärken kann. Das ängstliche Verhalten darf weder belohnt (Trösten, Streicheln), noch bestraft werden (Schimpfen z.B. bei Angstaggression oder Unsauberkeit). Am besten bleibt der Hundehalter in angstauslösenden Situationen entspannt und souverän. Bleibt der Hund ebenfalls entspannt, darf belohnt werden.
Eine medikamentöse Therapie sollte die Ausnahme bleiben, zum Beispiel um temporäre Angstsituationen wie Silvester, zu überstehen. Unbedenklich sind Sprays oder Flakons (z.B. Adaptil) mit synthetisch hergestellten Pheromonen, die in der Raumluft freigesetzt werden und beruhigend auf Hunde wirken sollen.
Unterstützend kann dem Hund ein enges T-Shirt oder ein ThunderShirt angezogen werden. Ähnlich wie beim Pucken eines Säuglings wird so ein sanfter, konstanter Druck auf die Haut ausgeübt, was zur Ausschüttung des Hormons Oxytocin führen kann. Oxytocin ist ein Gegenspieler des Stresshormons Cortisol. Der Rückgang des Stresshormons verursacht eine beruhigende Wirkung.
Naturheilkundlich kann bei Ängsten ebenfalls unterstützt werden, zum Beispiel mittels Vitalpilzen oder Phytotherapie. Hier können entsprechend ausgebildete Tierheilpraktiker beratend zur Seite stehen.
Geräuschangst
Geräuschempfindlichkeit tritt verhältnismäßig häufig bei Hunden auf. Auslöser sind verschiedenste Geräusche. Die Klassiker sind Feuerwerk, Gewitter und Knallgeräusche wie Schüsse. Aber auch spezielle Geräuschängste wie das Knistern von Plastiktüten kommen vor. Die eigentliche Lautstärke des für den Hund angsteinflößenden Geräuschs spielt dabei keine Rolle.
Die Ursachen für eine Geräuschangst liegen häufig darin begründet, dass der Hund in seiner Welpenzeit nicht mit diesen Geräuschen konfrontiert wurde. Übrigens: Hat die Mutterhündin bereits eine Geräuschangst, lernen die Welpen von ihr, ebenfalls ängstlich auf bestimmte akustische Reize zu reagieren.
Eine Geräuschangst kann sich auch durch traumatische Erfahrungen entwickeln. Wurde ein Hund beispielsweise mit Böllern beworfen, ist – aufgrund dieses Traumas – die Entwicklung einer Feuerwerksangst möglich. Manche Hunde reagieren so sensibel, dass sie schon vor dem eigentlichen Geräuscherlebnis mit Angst reagieren. Sie spüren zum Beispiel den Luftdruckunterschied, der ein Gewitter ankündigt. Dazu kommt, dass Hunde ein besseres Gehör als wir Menschen haben und deshalb zum Beispiel Donner früher hören können als sein Herrchen/Frauchen. Auch starken Wind haben viele Hunde mit Gewitter verknüpft.
Wie Hunde dann reagieren, ist sehr unterschiedlich. Während die einen die sichere Nähe des Halters suchen, verkriechen sich andere an einen vermeintlich sicheren Ort, oft Räume ohne Fenster wie Keller oder Badezimmer. Typischerweise zittern und hecheln Hunde bei akuter Geräuschangst. Manche Hunde winseln, jaulen oder bellen. Unsauberkeit und Erbrechen sind Zeichen sehr starker Angst.
Therapiemöglichkeiten sind hier in erster Linie Desensibilisierung und Gegenkonditionierung, wobei zu bedenken ist, dass das Training eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Zu Hause hilft ein sicherer Ort (durchaus auch antrainiert), das „Übertönen“ des Geräusches durch zum Beispiel einen laufenden Fernseher, Musik oder weißes Rauschen, die Methode des Puckens zum Beispiel mittels eines ThunderShirts oder das Tragen eines speziellen Gehörschutzes, sofern der Hund diesen akzeptiert. Medikamente sollten nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.
Trennungsangst
Eine weitere häufig auftretende Angst bei Hunden ist die Trennungsangst. Sie beschreibt das Unbehagen des Hundes, wenn er von seiner menschlichen Bezugsperson allein gelassen wird. Alleinbleiben gehört nicht zum normalen Verhalten eines Hundes. Viel lieber möchte er bei seinem Rudel sein. Der Hund winselt, heult oder bellt. Er zerstört Gegenstände der Wohnungseinrichtung, kratzt an der Tür, wird unrein (Urin und/oder Kot) oder erbricht. Die Verzweiflung des Hundes wird zu der des Halters, insbesondere dann, wenn sich zusätzlich noch Nachbarn über den Lärm beschweren.
Anzeichen von Trennungsangst zeigen sich manchmal schon im Verhalten des Hundes, wenn die vertraute Person (noch) gar nicht weg ist. Der Hund lässt sein Herrchen/Frauchen zu Hause nicht aus den Augen, folgt ihm in jedes Zimmer. Geschlossene Zimmertüren, während der Hund allein in einem Raum ist, sind mitunter schon problematisch.
Mit dem richtigen Training kann Trennungsangst jedoch verhindert oder zumindest gelindert werden. An das zeitweilige Alleinbleiben kann ein Hund jeden Alters gewöhnt werden. Zugegeben: Das klappt mit einigen Hunden besser als mit anderen. Bisweilen klappt es zu Hause, aber nicht in einer fremden Umgebung.
Hunde, deren Besitzer mehrfach gewechselt hat, zeigen eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine Trennungsangst zu entwickeln. Auch generell ängstliche Hunde sind häufig betroffen. Traumatische Erlebnisse (z.B. Gewitter) während der Abwesenheit von Herrchen/Frauchen können ebenfalls zu Trennungsangst führen.