Tierschutzhunde

Jeder Hund ist einzigartig und verdient ein Leben, in dem seine individuellen Bedürfnisse berücksichtigt werden. Hunde aus dem Tierschutz – aus dem Ausland oder dem heimischen Tierheim – bringen ihre eigene Geschichte und damit ganz spezielle Bedürfnisse und Verhaltensweisen mit. Traumatische Erfahrungen in der Vergangenheit des Hundes resultieren nicht selten in Ängsten und Unsicherheiten, die für das Mensch-Hund-Team im Alltag eine echte Herausforderung darstellen können.

Zudem existieren vor allem im Mittelmeerraum Krankheiten, die durch Zecken oder Mücken übertragen werden. Hunde, die nach Deutschland kommen, können mit Erregern dieser sogenannten Mittelmeerkrankheiten infiziert sein.

Das soll nicht davon abhalten, einem Hund aus dem Tierschutz ein liebevolles und sicheres Zuhause zu bieten. Man sollte nur wissen, worauf man sich einlässt und bereit sein, diese Verantwortung zu übernehmen.

Hund aus dem Tierschutz adoptieren

Welpen, die bei einem seriösen Züchter ihre ersten Lebenswochen verbringen, wachsen dort wohlbehütet und gut sozialisiert auf. Es mangelt weder an Futter noch an Zuwendung, Pflege oder medizinischer Versorgung. Wenn sie dann mit zwei bis drei Monaten Mama, Geschwister und Pflegeeltern verlassen, sind sie bestmöglich auf das nun anstehende Leben bei ihren Haltern vorbereitet.

Wer einen Hund aus dem Tierschutz adoptiert, sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese Hunde ein anderes Vorleben haben. Abhängig von Alter und Herkunft haben diese Hunde vielleicht früh ihre Mutter verloren, waren in Sheltern, Canilen oder Tötungsstationen untergebracht oder haben sich als Straßenhunde eigenständig durchs Leben geschlagen. Auch wenn Tierschützer im ost- oder südeuropäischen Raum ihr Bestes geben, fehlt es schlicht an Geld, Platz und Kapazitäten, um den Hunden auch nur ansatzweise gerecht werden zu können.

Neben der wichtigen Unterstützung der Tierschutzorganisationen vor Ort, werden Hunde zahlreich aus dem Ausland nach Deutschland gebracht, um hier ein besseres Zuhause zu finden. Diese Vorgehensweise wird zurecht kritisch diskutiert, aber darum soll es in diesem Blogartikel nicht gehen.

Der Transport der Tiere aus den Herkunftsländern erfolgt durch Privatpersonen, zum Beispiel als Flugpaten oder über spezielle Transportunternehmen. Bis zur Vermittlung werden die Hunde zunächst in Tierheimen oder Pflegestellen untergebracht, sofern der neue Halter sein bereits vermitteltes Tier nicht direkt in Empfang nimmt.

Sich allein aufgrund von Fotos und Beschreibungen für einen Hund zu entscheiden, birgt das Risiko, einen Hund zu adoptieren, der sich dann anders als erwartet präsentiert. Es ist unbedingt ratsam, sich vor der Adoption des Hundes mit dem Tierschutzverein oder der Organisation ausführlich auszutauschen, um alle notwendigen Informationen über den Hund zu erhalten. Wie ist sein Gesundheitszustand? Ist er oder sie bereits kastriert? Welches Verhalten wird gezeigt? Wie wird das Wesen des Hundes eingeschätzt? Welche speziellen Bedürfnisse hat der Hund? Wie reagiert er auf Kinder, Katzen, andere Hunde? Trotz einer möglichst offenen Kommunikation sind „Überraschungen“ im Nachhinein eher die Regel als die Ausnahme. Der Hund kann sich im neuen Zuhause ganz anders zeigen als beschrieben, sowohl was seinen Gesundheitszustand betrifft als auch im Verhalten. Auch Rasseeinschätzungen sind nicht in Stein gemeißelt. So stellt sich nicht selten der vermeintliche Golden- oder Labbi-Mix plötzlich als Herdenschutzhund heraus, der selbstredend ganz andere Bedürfnisse hat als ein Apportierhund, wie der Retriever.

Das Risiko dieser Überraschungen lässt sich mindern, wenn der Hund bereits eine Weile in Deutschland auf einer Pflegestelle oder in einem Tierheim lebt. Hier kann der Hund kennengelernt werden, bevor die Adoptionspapiere unterschrieben werden. Trotzdem bleibt es ein Hund mit Vergangenheit, die nicht immer bekannt ist. Viele Eigenarten zeigen sich erst im Zusammenleben und diese können teilweise sehr speziell sein, zum Beispiel die Angst des Hundes vor Männern in blauen Jeans.

Unerwünschte Mitbringsel: Mittelmeerkrankheiten

Hunde aus süd- oder südosteuropäischen Ländern wie Spanien, Italien, Griechenland, Türkei, Bulgarien oder Rumänien haben mitunter Erreger im Gepäck, die schwerwiegende gesundheitliche Probleme verursachen und unbehandelt sogar tödlich enden können. Krankheiten wie Leishmaniose, Babesiose, Anaplasmose, Ehrlichiose und Dirofilariose (Herzwurm) werden auch als Mittelmeerkrankheiten bezeichnet, weil sie durch überwiegend im Mittelmeerraum lebende Zecken und Mücken übertragen werden.

Die Symptome sind vielseitig und oft unspezifisch, wie wiederkehrendes Fieber, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust mit Appetitmangel, Gelenkschmerzen mit Lahmheiten, Lymphknotenschwellungen, Durchfall und Erbrechen, Gelbsucht, Nasenbluten oder Fell- und Hautveränderungen. Meist treten nur einige der Symptome auf. Im Blutbild zeigen sich im weiteren Verlauf ebenfalls Veränderungen. Insbesondere bei Anämien (Blutarmut) ist es ratsam, Mittelmeerkrankheiten in Betracht zu ziehen. Ein Herzwurmbefall kann durch verminderte Kondition, Atemnot und Husten symptomatisch werden. Bei chronischen Leishmaniose-Infektionen treten zusätzlich oftmals Niereninsuffizienzen sowie Leber- und Milzvergrößerungen auf.

Tierschutzorganisationen lassen Hunde vor ihrer Vermittlung nach Deutschland in der Regel auf bestimmte Erkrankungen testen. Das Problem: Ein negatives Testergebnis garantiert nicht, dass das Tier tatsächlich frei von Erregern ist. Ausschlaggebend für das Ergebnis ist der richtige Zeitpunkt der Testung. Einige Tests zeigen erst nach Wochen oder Monaten einer Infektion ein zuverlässiges Ergebnis an. Wer sichergehen will, lässt seinen aus dem Ausland adoptierten Hund zu einem späteren Zeitpunkt, empfehlenswert sind sechs Monate nach Ankunft, in Deutschland noch einmal testen. Der Tierarzt nimmt dafür Blut ab und schickt es in spezielle Labore, die entsprechende Antikörper oder direkte Erreger nachweisen können. So kann eine potenziell tödlich verlaufende Erkrankung rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Bei rechtzeitiger Therapie sind alle Krankheiten behandelbar, wenn auch nicht immer heilbar. Tipp: Nicht alle Tierärzte kennen sich gleichermaßen gut mit Mittelmeererkrankungen aus. Hier kann es ratsam sein, sich nach spezialisierten Tierärzten umzusehen.

Im Übrigen wurden einige der oben genannten Krankheiten auch bei Hunden nachgewiesen, die Deutschland nie verlassen haben. Treten entsprechende Symptome auf, für die sich keine anderen Ursachen finden lassen, bitte die Mittelmeererkrankungen auch hier im Hinterkopf haben.

Training mit Tierschutzhunden

Beim Training von Tierschutzhunden gibt es einige Herausforderungen zu meistern. Jeder Hund hat seine eigene Geschichte und Erfahrungen gemacht, die sein Verhalten beeinflussen. Hunde aus dem Tierschutz haben aufgrund ihrer oftmals erlebten traumatischen Erlebnisse oft eine niedrige Frustrationstoleranz. Ein Leben auf der Straße oder in engen Sheltern, Unfälle, beängstigende Einfangaktionen, Beißattacken von anderen Hunden, Vernachlässigung, Missbrauch von Hündinnen als Gebärmaschinen, wechselnde Bezugspersonen – all das kann Traumata auslösen, was zu unsicherem, ängstlichen oder aggressivem Verhalten führen kann.

Bei Tierschutzhunden ist es wichtig, zunächst langsam Vertrauen aufzubauen. Der erste Schritt dazu ist, dem Hund Zeit und Raum zu geben, um seine neue Umgebung kennenzulernen und sich an den Trainer/die Trainerin zu gewöhnen. Die anderen Hunde (und deren Halter) während eines Kurses können einen Tierschutzhund überfordern. Je kleiner eine Hundegruppe ist, desto besser kann auf die individuellen Bedürfnisse des Hundes eingegangen und der Tierhalter entsprechend gecoacht werden. Vom Wesen her selbstständige Herdenschutzhunde brauchen erfahrungsgemäß mehr Führung, während bei anderen Hunden der Aufbau des Selbstbewusstseins der entscheidende Punkt für ein erfolgreiches Training ist.

Ein ideales Training mit Tierschutzhunden berücksichtigt die Besonderheiten jedes einzelnen Hundes. Obwohl es grundlegende Inhalte wie Regeln und Rituale für den Alltag und das Setzen von Grenzen gibt, ist jedes Training individuell.

Das Anpassen des Trainings an den Hund kann auch bedeuten, das Tempo zu verlangsamen oder schneller zu machen. Einige Hunde lernen schnell und sind motiviert durch Fortschritte im Training. Andere Hunde benötigen mehr Zeit und Geduld.

Essenziell ist es auch, Unsicherheiten und Ängste des Hundes überhaupt zu erkennen. Ein bestimmtes Verhalten, welches vom Halter als Sturheit interpretiert wurde, entpuppt sich nicht selten als reine Unsicherheit. Die Körpersprache des eigenen Hundes zu verstehen, ist die Basis für ein erfolgreiches Training. Es kann keine vertrauensvolle Bindung zwischen Mensch und Hund entstehen, wenn das Verständnis füreinander fehlt. Nur mit Liebe allein lassen sich Verhaltensprobleme leider nicht lösen.

Neben der richtigen Erziehung eines Hundes, spielt die artgerechte Beschäftigung eine große Rolle. Egal ob körperliche oder geistige Auslastung des Hundes – eine gemeinsame Beschäftigung schweißt Hund und Halter zusammen, fördert eine tiefe und vertrauensvolle Bindung und gibt dem Hund eine Aufgabe.

 

Nicht zuletzt ist gezielte Entspannung ein Thema, das keinesfalls zu kurz kommen darf. Gerade Tierschutzhunde können echte Nervenbündel sein, die nicht gut zur Ruhe kommen, weil zum Beispiel allein die ungewohnte Umgebung des neuen Zuhauses für sie Stress und Überforderung bedeutet. Das „Runterkommen“ kann und sollte für ein harmonisches Zusammenleben geübt werden.

Grundsätzlich wichtig ist Geduld und Einfühlungsvermögen gegenüber dem Hund sowie eine positive Grundeinstellung zum Training. Es kann Wochen oder sogar Monate dauern, bis der Hund Vertrauen aufgebaut hat und bereit ist, neue Dinge zu lernen. Aber auch kleine Fortschritte sollten gefeiert werden, um die Motivation des Hundes (und die eigene) zu steigern. Der Fokus liegt nicht nur auf dem Ziel, sondern auf dem Training selbst. Wenn man bedenkt, dass viele Tierschutzhunde traumatische Erfahrungen gemacht haben, ist es besonders erfüllend zu sehen, wie sie sich entwickeln und ihr volles Potenzial entfalten.

Das Vertrauen eines Hundes zu gewinnen und ihm zu helfen, Ängste und Unsicherheiten zu überwinden, ist eine mehr als lohnende Aufgabe – insbesondere bei unseren Secondhand-Hunden. Das Training von Hunden aus dem Tierschutz mag schwierig erscheinen, aber es ist eine Chance, einen Unterschied im Leben des Hundes zu machen und gleichzeitig einen treuen Begleiter fürs Leben zu finden.